
4.1 Aufladung 201
Elektrisch unterstützte Abgasturboaufladung
Die Nachteile der konventionellen Abgasturboaufladung sind prinzipbedingt und
resultieren aus einem unzureichenden Abgasenthalpieangebot bei geringen Mo-
tordrehzahlen sowie zu Beginn von Beschleunigungsphasen in Verbindung mit
der Massenträgheit des Turboladerlaufzeugs. Schon lange besteht daher der Ge-
danke, dieses Leistungsdefizit durch eine andere Energieform, die grundsätzlich
verfügbar ist und einfach gehandhabt werden kann, zu kompensieren, um bei
Bedarf ein entsprechendes Drehmoment darstellen zu können (Torque on De-
mand). Es ist demnach naheliegend, die elektrischer Energie aus dem Bordnetz in
irgendeiner Form zu nutzen. Dieser Ansatz führte zur Entwicklung von elektrisch
unterstützen Aufladesystemen (EBS, E
lectric Boosting Systems), von denen der
elektrisch angetriebene Zusatzverdichter sowie der elektrisch unterstützte Abgas-
turbolader in den letzten Jahren Bekanntheit erlangt haben.
Die Vorteile liegen hier in der generellen Verfügbarkeit elektrischer Energie im
Fahrzeug sowie der einfachen Weiterleitung innerhalb des bestehenden Bordnet-
zes (12 Volt) oder ggf. eines eigenen, leistungsfähigeren Netzes (z.B. 42 Volt).
Letzteres ist kurz- bzw. mittelfristig jedoch nicht zu erwarten. Dabei ist zu berück-
sichtigen, dass eine elektrische Unterstützung beim 12-Volt-Bordnetz aufgrund
dessen Belastung im wesentlichen nur für transiente Betriebszustände des Motors
möglich ist, da aufgrund der erforderlichen Strombegrenzung kurzzeitig nur bis zu
2 kW elektrische Leistung verfügbar ist [BAL02]. Zur Beschleunigung kann die-
ser Wert auch überschritten werden, sofern die zusätzliche Energiemenge durch
die Batterie bereit gestellt werden kann [BbU02]. Eine darüber hinausgehende
Verwendung, z.B. zur Anhebung des stationären Volllastdrehmomentes erfordert
in jedem Fall ein leistungsfähigeres Bordnetz. Das nutzbare Potenzial insbesonde-
re im transienten Betriebsverhalten hängt von der verfügbaren elektrischen Leis-
tung ab. Für die Akzeptanz elektrisch unterstützter Aufladesysteme wird daher die
Integration und der Anschluss an das Bordnetz der Schlüssel zum Erfolg sein. Da
eine direkte Versorgung der Elektroantriebe durch den Generator sehr schwierig
ist, werden hohe Anforderungen an die Speicherung und Verfügbarkeit der elekt-
rischen Energie in der Batterie gestellt.
Da die elektrische Leistung ausschließlich dazu genutzt wird, dem Motor mehr
Luft bereit zu stellen, und das zusätzliche Drehmoment durch Umsetzung einer
größeren Kraftstoffmenge erzeugt wird, bietet die elektrisch unterstützte Aufla-
dung hinsichtlich der erforderlichen elektrischen Leistung deutliche Vorteile z.B.
im Vergleich zum Starter-Generator-System. Hier wird das zusätzliche Drehmo-
ment rein elektrisch erzeugt, sodass zur Darstellung eines besseren Beschleuni-
gungsverhaltens sowie eines höheren Low-End-Torque in jedem Fall ein leis-
tungsfähigeres Bordnetz erforderlich ist.
Weitere Vorteile der elektrisch unterstützten Aufladung ergeben sich aus einer
Verbrauchsreduzierung, da zur Generierung hoher Ladedrücke das Abgas vor der
Turbine weniger aufgestaut wird und damit der Abgasgegendruck sinkt. Zudem
können die Emissionen während des Motorbetriebs sowie beim Kaltstart durch ein
gezielt steuerbares Luftmanagement reduziert werden.