faltete er die Zeitung und stand auf, weil er den tschechischen Kollegen im Speisewagen treffen
wollte. Dort sah er noch einige Bekannte. Sie waren in ein Gespräch über die politische Lage
Österreich - Ungarns vertieft. Alexander aß und hörte dem Gespräch zu. Der Zug lief in einen
größeren Bahnhof ein. Ein Kollege blickte zum Fenster hinaus und rief: “Donnerwetter! Wir
sind schon in Tabor! Und ich muss noch meine ganzen Akten lesen. Entschuldigen Sie mich,
meine Herren!” Er verließ eilig den Speisewagen. Die anderen folgten seinem Beispiel. Der Zug
setzte sich von neuem in Bewegung. Die vorüberziehende Landschaft war von einer stillen
Schönheit. Ein Dorf, Felder, ein Wäldchen, junge Birken an einem Bach. Über den glashellen
Himmel zogen leichte Wolken. Alexander öffnete das Fenster. “Winter mit Frühlingsduft”,
dachte er.
Der Zug hielt an einem kleinen Bahnhof. Auf dem Bahnsteig standen zwei Frauen, eine
alte und eine junge in modischer Reisekleidung. “Eine Tochter wird zur Bahn gebracht,”
dachte Alexander. “Sie ist wohl ein paar Wochen daheim auf Besuch gewesen, und fährt nun
wieder in die Großstadt zurück”. Die junge Dame stieg in seinen Wagen. Alexander verließ
den Speisewagen, blieb im Gang stehen und wartete eine Weile. Sie saß in seinem Abteil. Als
Alexander sich mit einem leisen Gruß ihr gegenüber auf seinen Platz setzte, wandte sie sich für
einen Augenblick vom Fenster und dankte durch ein leichtes Kopfneigen. Dann versenkte sie
sich wieder in Betrachtung der Landschaft. Alexander sah ihr volles Profil. Sie erinnerte ihn an
eine Jugendfreundin an der Universität Leipzig, war aber viel schöner. Er fühlte eine
Verwirrung. Sie stand auf und verließ das Abteil. Nach einiger Zeit kam sie zurück, nahm
ihren Koffer und setzte den Hut auf, da sie bald in Wien ankommen sollten.
Der Zug hielt. Im Waggongang erschien der Gepäckträger. Er wollte den Koffer der
Dame nehmen. “Nein, danke, ich werde erwartet”, sagte sie. Alexander stieg aus und blieb
etwas abseits auf dem Bahnsteig stehen. “Ich muss sie nochmals sehen”, sagte er sich. Da
erblickte er sie auch. Sie stand und sah mit verlorenem Ausdruck den Bahnsteig hinunter.
Alexander trat auf sie zu. “Oh, ich sehe, man hat Sie nicht abgeholt, gnädige Frau. Darf ich
Ihnen helfen? Das müssen Sie mir erlauben … Ach, entschuldigen Sie, ich muss mich ja
vorstellen. Mein Name ist Reither, Zeitungsverleger aus Prag”. “Ich heiße Claudi, Frau Irene
von Claudi”, sagte sie. “Bringen Sie mich bitte zu den Droschkenständen”. “Eine Droschke für
die Frau”, rief Alexander dem Gepäckträger zu.
Eine Droschke rollte heran. Sie stieg ein, beugte sich aus der Droschke und reichte ihm
die Hand. Da fragte der Kutscher: ”Wohin soll ich fahren?” “Ja, wohin?” rief die junge Frau.
“Wo wohnt sie denn? Ich weiß es ja nicht”. “Wo wer wohnt? Ich frage nicht aus Neugierde,
kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?” “Ach, ich wollte bei meiner entfernten Verwandten
übernachten. Sie sollte mich vom Zug abholen. Aber am Ende hat sie das Telegramm gar nicht
bekommen. Ich weiß nicht …” Sie sah ganz hilflos aus. Alexander folgte einem plötzlichen
Impuls. “Na, da bringen wir Sie eben in einem guten Hotel unter. Hotel “Imperial”, sagte er
dem Kutscher und stieg in die Droschke. Er setzte sich neben sie, und sie fuhren davon.
“Das ist der Frühling”, dachte Alexander. “Es ist unglaublich, aber wahr; ich habe mich
verliebt, auf den ersten Blick verliebt wie ein Achtzehnjähriger”.
Ответьте на вопросы:
1. Wohin fuhr Alexander? 2. Womit fuhr Alexander? 3. Wie fuhr Alexander? 4. Wodurch
fuhr Alexander? 5. Was für ein Gefühl hatte er? 6. War der Bahnsteig leer? 7. Was für ein Zug
war das? 8. Was schlug ein Kollege aus Prag vor? 9. Wer saß noch im Abteil? 10. Was nahm
Alexander? 11. Was las er? 12. Wie las er? 13. Wovon sprachen die Bekannten im Gang? 14.
Was sah Alexander im Fenster? 15. Wo hielt der Zug? 16. Wer stand auf dem Bahnsteig? 17.