
294 4 Relevante Subsysteme und Prozesse
des Zünd-OT auftreten und zu hohen Druckspannungen im Pleuel führen. Beim
betrachteten Motor im beschriebenen Betriebspunkt sind positive Kolbenkräfte
nur in einem Bereich von etwa 70 °KW um den LW-OT zu beobachten, die aus
den Massenkräften resultieren.
Das rechte obere Diagramm stellt die Kolbenkraft in Abhängigkeit des Gasdru-
ckes dar. Hier wird deutlich, dass ein Anstieg von Spitzen- und Mitteldrücken die
mechanische Belastung der Triebwerkskomponenten signifikant erhöht. Im prakti-
schen Fall einer Zünddrucksteigerung, die fast immer mit breiteren Druckverläu-
fen kombiniert ist, um entsprechend hohe Mitteldrücke zu realisieren, ist die ma-
ximale Belastung einerseits größer, andererseits jedoch auch länger andauernd.
Eine Drehzahlsteigerung, siehe Diagramm unten links, verlagert die Kolben-
kraftmaxima zunehmend in Richtung des LW-OT, wobei der Bereich des Zünd-
OT durch die wachsenden Massenkräfte entlastet wird. Für Motoren mit hohen
Nenndrehzahlen treten die maximalen Kolbenkräfte schließlich im LW-OT auf,
sodass der Massenkrafteinfluss für diesen Fall als wesentliches Auslegungskriteri-
um für die Triebwerksbauteile herangezogen werden muss.
Der Einfluss unterschiedlicher Hub-Bohrungsverhältnisse auf die mechani-
schen Belastungen spiegelt sich im Diagramm unten rechts wider. Dabei muss
erwähnt werden, dass dieser Geometriekennwert über das Verhältnis von Brenn-
raumoberfläche zu Brennraumvolumen auch Auswirkungen auf die thermodyna-
mischen Verluste hat.
Unter der Voraussetzung konstanten Zylinderhubvolumens kann die Kolben-
kraft und damit die Triebwerksbelastung reduziert werden, in dem der Motor
langhubiger ausgelegt wird. Infolge des damit verbundenen geringeren Kolben-
durchmessers werden die Gaskräfte deutlich reduziert. Der vergrößerte Hub führt
– falls von einer konstanten Kolbenmasse ausgegangen wird – jedoch einerseits zu
steigenden rotierenden und oszillierenden Massenkräften und andererseits zu einer
größeren Motorbauhöhe. Die geringeren Kolbenkräfte führen auch zu geringeren
Kolbennormalkräften, sodass u.U. auf eine Anpassung der Pleuellänge zur Beibe-
haltung des Pleuelverhältnisses verzichtet werden kann. Andernfalls führt ein
längeres Pleuel zu einer weiteren Vergrößerung der Motorbauhöhe. Nachteilig auf
den Liefergrad wirken zudem die durch die geringere Bohrung reduzierten Ventil-
durchmesser. Auch die mittlere Kolbengeschwindigkeit steigt an, sodass die tribo-
logischen Belastungen durch langhubige Auslegung eher zunehmen. Ein weiterer
Nachteil langhubiger Auslegung ist der Verlust an Gestaltfestigkeit der Kurbel-
welle, da sich Hubzapfen und Grundzapfen weniger überlappen.
Zur Berechnung der inneren Triebwerkskräfte werden einige vereinfachende
Annahmen getroffen, die ihrerseits jedoch keine Beeinträchtigung der grundle-
genden Aussagen zum Einfluss hoher Spitzen- und Mitteldrücke auf die Motor-
mechanik darstellen. Da eine Weiterleitung der Kolbenkraft nur in Richtung des
Pleuels möglich ist, teilt sich die Kolbenkraft in die Kolbennormalkraft und die
Pleuelkraft auf. Abb. 4.108 stellt die in den einzelnen Komponenten und Lagern
des Kurbeltriebs wirksamen Kräfte dar.
Der Kurbeltrieb sei weder geschränkt, noch desachsiert. Da reale Motoren zur
Reduzierung der Geräuschanregung durch Kolbenanlagewechsel nur geringfügig