
4.4 Motormechanik und Wärmehaushalt 307
Tragholmstruktur zu einer Reduzierung des Gewichtsvorteils von Aluminium
führen, sodass Grauguss nach wie vor interessante Eigenschaften bietet, zumal
keine zusätzlichen Maßnahmen für die Zylinderlauffläche erforderlich sind.
Um die positiven Eigenschaften von Grauguss und Aluminium bzw. Magnesi-
um verbinden zu können, werden zunehmend Verbundkonstruktionen eingesetzt.
Hoch belastete Bereiche des Kurbelgehäuses (Deckplatte, Hauptlager, Zylinder-
stege) können damit gezielt durch entsprechend geeignete Werkstoffe ausgeführt
werden. Die BMW AG hat als erster Hersteller eine Aluminium-Magnesium-
Verbundkonstruktion entwickelt [LAN03], die einen interessanten Ansatz für
Leichtbau im Kurbelgehäuse darstellt. Allerdings bieten diese Varianten bei ver-
gleichsweise hohem Aufwand nicht das Potenzial zur Spitzendrucksteigerung über
200 bar wie Graugusswerkstoffe.
Effiziente Brennverfahren mit hohen Spitzendrücken führen zu einer ausge-
prägten Strukturanregung durch das direkte und indirekte Verbrennungsgeräusch.
Ein vorteilhaftes NVH-Verhalten ist zum einen über eine hohe Struktursteifigkeit
und zum anderen über geringe Anregung durch die resultierenden, inneren Trieb-
werkskräfte zu erreichen [GEB03]. Motoren mit wenigen Zylindern oder hohen
bewegten Massen schneiden daher prinzipbedingt schlechter ab als Motoren mit
hoher Zylinderzahl oder geringen bewegten Massen.
Der Zylinderlauffläche als eine wesentliche Komponente des Kurbelgehäuses
kommt eine besondere Bedeutung zu. Die hohen Zylinderdrücke von Hochlast-
konzepten führen zu einer ausgeprägten, tribomechanischen Belastung der Zylin-
derlaufbahn. Hier werden besonders hohe Anforderungen an den Werkstoff und
die Oberflächenstruktur gestellt, damit einerseits ein reibungs- und verschleißar-
mer Betrieb und andererseits geringer Ölverbrauch und niedrige Blow-by-Verluste
möglich sind. Konventionelle AlSi-Legierungen kommen diesen Anforderungen –
speziell bei Dieselmotoren – nicht ausreichend nach, sodass geeignete Beweh-
rungsmaßnahmen durch lokales Werkstoffengineering durchzuführen sind. Neben
eingegossenen kommen eingepresste Graugussbuchsen ebenso zum Einsatz, wie
spezielle Beschichtungen, die z.B. über einen Plasmaspritzprozess oder über gal-
vanische Abscheidung aufgebracht werden. Für Ottomotoren genügen in der Re-
gel übereutektische AlSi-Legierungen, deren Siliziumgehalt oberhalb von 12%
liegt. Auch mit Aluminiumschmelze infiltrierte Preforms stellen für Ottomotoren
geeignete Werkstoffe für die Laufbuchse dar.
Abseits des Werkstoffes ist die Oberflächentopografie der Zylinderlaufbahn ein
zentraler Einflussparameter für das tribologische Betriebsverhalten. Diese Ober-
flächenstruktur wird klassischerweise durch das spanende Bearbeitungsverfahren
Honen hergestellt. Durch eine kombinierte Rotations- und Hubbewegung des
Werkzeuges (Honleisten) entsteht eine Kreuzriefenstruktur, die eine ausgezeichne-
te Adhäsion des Schmieröls ermöglicht. Die kanalförmigen Vertiefungen stellen
jedoch auch ein sogenanntes kommunizierendes Kanalsystem dar, welches infolge
der oszillierenden Kolbenbewegung den Eintritt von Schmieröl in den Brennraum
fördert. Dies führt zu erhöhten HC- und Partikelemissionen. Um eine gute Dicht-
wirkung im Kolbenring-Zylinder-Verbund zu gewährleisten, werden die Kolben-
ringe vergleichsweise stark vorgespannt. Hierdurch werden jedoch sowohl die
Reibungsverluste als auch der Verschleiß erhöht.